Aktuell basiert der Energieverbrauch in Tirol zu fast 60 Prozent auf fossilen Brennstoffen. Um den Ausstieg zu schaffen, müssen alle verfügbaren erneuerbaren Ressourcen umweltverträglich genutzt werden. „Das Kraftwerk Kaunertal und vor allem der zusätzliche Speicher Platzertal leisten einen wichtigen Beitrag zur Energiewende und zur Erreichung der österreichischen Energieziele. Mit dem Pumpspeicherkraftwerk können wir erneuerbare Energie speichern und die notwendige Flexibilität für den Ausbau von Wind und PV sicherstellen. Mit dem Vorhaben tragen wir außerdem wesentlich zur Versorgungssicherheit im Land bei“, betont TIWAG-Vorstandsdirektor Alexander Speckle.
Aufgrund von Änderungen der aktuellen Rahmenbedingungen hat sich TIWAG entschlossen, das Projekt in zwei Projektteile zu trennen und den Schwerpunkt auf neue Speicherkapazitäten und die Bereitstellung von flexibler Energie zu legen. Zum einen unterliegt der Energiemarkt einer sehr starken Veränderung. Die Produktion von Energie aus Photovoltaik und Windkraft steigt kontinuierlich – diese Energiequellen sind jedoch unbeständig. Um die Phasen mit wenig Sonne und Wind – sogenannte Dunkelflauten, die bis zu zwei Wochen dauern können – zu überbrücken, werden die Speicherung von Energie und hohe Flexibilität immer wichtiger werden.
Zudem ist das Bewilligungsverfahren für das Ausleitungskraftwerk Innstufe Imst-Haiming, das sich in der zweiten Instanz beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) befindet, derzeit mit einer Verschärfung der gewässerökologischen Rahmenbedingungen konfrontiert. „Um die neuen Erkenntnisse aus dem Projekt Imst-Haiming umweltverträglich umsetzen zu können, benötigen wir Planungssicherheit und klare Rahmenbedingungen“, sagt Speckle.
Pumpspeicherkraftwerk Versetz hat nun Priorität
„Wir konzentrieren uns im weiteren Bewilligungsverfahren und in der Umsetzung daher darauf,was es vorrangig für die österreichische und europäische Energiewende braucht und trennen die Erweiterung Kaunertal in zwei Projektteile“, so Speckle weiter. Herzstück des ersten Projektteils ist das neue Pumpspeicherkraftwerk Versetz mit dem Speicher Platzertal. „Damit können wir erneuerbare Energie speichern und schaffen zudem dringend notwendige Speicherkapazitäten und Flexibilitäten für den nationalen wie internationalen Ausbau von Wind- und Sonnenenergie innerhalb des europäischen Verbundsystems.“ Hierfür werden die vorhandenen Wasserressourcen am Gepatschspeicher und im Einzugsgebiet des Platzertals genutzt. Wasserableitungen aus dem Ötztal sind dafür vorab nicht notwendig.
Im laufenden UVP-Verfahren strebt TIWAG einen rechtskräftigen Teilbescheid zur Umsetzung des Pumpspeicherkraftwerks Versetz mit dem Speicher Platzertal an. Der rechtskräftige Bescheid soll in fünf Jahren vorliegen, danach geht Speckle von einer rund sechsjährigen Bauzeit zwischen 2029 bis 2034 aus. Der zweite Projektteil, der u.a. das Unterstufenkraftwerk Prutz 2 und das Kraftwerk Imst 2 sowie die Ableitungen aus dem Ötztal beinhaltet, bleibt im UVE-Verfahren. „Die weiteren Planungsschritte für den zweiten Projektteil werden wir aber erst vornehmen, wenn die Überprüfung der Rahmenbedingungen abgeschlossen sind, die finale Entscheidung zu Imst-Haiming vorliegt und somit die gewässerökologischen Vorgaben klar sind.“
Die Erweiterung des Kraftwerks Kaunertal – und hier speziell die Erhöhung der Pumpspeicherkapazität im Kaunertal – ist eines von zehn Pumpspeicher-Projekten „gemeinsamen europäischen Interesses“ (PCI – Projects of Common Interest) der Europäischen Kommission. Diese PCI-Projekte sind von übergeordneter Bedeutung für die Erreichung der europäischen Klimaziele, insbesondere für die Integration erneuerbarer Energien, und liegen im höchsten öffentlichen Interesse.
Speicher Platzertal: ein umfassend geprüfter Standort
Im Laufe der Entwicklung des Projekts „Erweiterung Kaunertal“ hat TIWAG im Umfeld des Gepatschspeichers mehrere Standorte umfassend geprüft. Ab 2010 erfolgte die vertiefte Untersuchung des Speichers Platzertal in der Gemeinde Pfunds auf ca. 2.300 Meter Seehöhe. „Der Standort Platzertal erfüllt alle Voraussetzungen für einen modernen Speicher – von der Geologie über das abbaubare Material vor Ort bis zur Anknüpfung an bestehende Kraftwerksanlagen“, erklärt Speckle.
Für die Erweiterung Kaunertal wird die bestehende Infrastruktur genutzt und optimiert. Das minimiert notwendige Eingriffe und ermöglicht einen ressourcenschonenden Ausbau. Das Platzertal ist kein Schutzgebiet und auch das immer wieder kolportierte Hochmoor ist im Platzertal nicht vorhanden. Im Platzertal sind rund 7 ha wertvolle Feuchtböden vom neuen Speicher betroffen. Ein Vielfaches dieser Fläche wird als Ausgleich an Feuchtgebieten im Umfeld des Speichers vernässt bzw. neu angelegt. Die Platzeralm und das Bergwerk bleiben auch nach der Errichtung des Speichers erhalten, weil dieser am Talschluss geplant ist. Um den Baustellenverkehr in das Platzertal zu minimieren, erfolgt eine Erschließung über einen Tunnel vom Kaunertal aus.