Eine zuverlässige und sichere Strom-, Gas- und Wärmeversorgung ist für die Gesellschaft von größter Bedeutung. Diese sichere Versorgung zu gewährleisten, erfordert eine nachhaltige Energiepolitik und stellt hohe Anforderungen an Unternehmen wie die TIWAG-Tiroler Wasserkraft AG (TIWAG).
Das Thema Versorgungssicherheit wird in Zukunft immer wichtiger, weshalb Sie auf dieser Seite eine Zusammenfassung der wichtigsten Fragen und Fakten finden.
1.) Was versteht man unter Versorgungssicherheit?
Im Kern bedeutet der Begriff „Versorgungssicherheit“ die stetige Sicherstellung der Grundbedürfnisse der Menschen. Ein sehr wesentlicher Teilbereich davon ist natürlich die Versorgungssicherheit bei leitungsgebundener Energie, da unser heutiges Leben nur mit einer sicheren Energieversorgung funktioniert; das reicht vom Heizen über Kühlen, Kochen und Beleuchtung bis hin zur Mobilität, unsere medizinische Versorgung und die Erzeugung der wesentlichen Produkte unseres Lebens.
Dabei ist jedoch zwischen der Perspektive der NutzerInnen und der des Systems zu unterscheiden – ein kurzfristiger Stromausfall bei einem oder wenigen Haushalten (also die Nutzerperspektive) bedeutet nicht den grundsätzlichen Verlust der Versorgungssicherheit. Aus Systemsicht ist die Stabilität des nationalen wie internationalen Gesamtsystems entscheidend.
Auch zwei weitere Begriffe müssen in diesem Zusammenhang beachtet werden, nämlich jene der Versorgungsqualität und der Versorgungszuverlässigkeit. Letztere besagt, wie oft und wie lange es zu Unterbrechungen der Stromversorgung bei den EndkundInnen aufgrund von Störungen seitens des Netzbetreibers kommt. Dies wird mit einem europaweit genormten Verfahren statistisch ermittelt und als Durchschnittswert pro Kundenanschluss, etwa als Unterbrechungsminuten pro Jahr, erfasst und als SAIDI-Wert („System Average Interruption Duration Index“) bezeichnet. Dieser Wert lag für die TINETZ-Tiroler Netze GmbH im Jahr 2022 bei 13,98 Minuten. Dies bedeutet eine Netzverfügbarkeit von über 99,9 %, wodurch TINETZ im Spitzenfeld der österreichischen Netzbetreiber lag.
Unter Versorgungsqualität wiederum versteht man die Qualität der Spannung, die beim Kunden ankommt. Hier geht es um die Einhaltung von Normgrenzen und eine gleichmäßige Spannungshöhe ohne „Flackern“.
2.) Was sind die Grundlagen der Versorgungssicherheit bei Energie?
Die Versorgungssicherheit bei Energie beruht auf zwei Grundpfeilern:
· das Vorhandensein und die zuverlässige Verfügbarkeit von entsprechenden Kraftwerken
· eine flächendeckende und zuverlässige Netzinfrastruktur
Die TIWAG-Tiroler Wasserkraft AG (TIWAG) ist zwar nicht das einzige, aber das größte Energieversorgungsunternehmen im Bundesland Tirol. Sie erzeugt ihren Strom durch einen modernen Kraftwerkspark mit zahlreichen großen, mittleren und kleinen Wasserkraftwerken, mehreren Photovoltaik-Anlagen und Biomasse-Kraftwerken. Der Großteil der in den TIWAG-Kraftwerken erzeugten elektrischen Energie stammt aus erneuerbarer Wasserkraft, die in Tirol die wirtschaftlichste, zuverlässigste und effizienteste Form erneuerbarer Erzeugung darstellt.
Während der Winterperiode, mit ihrem hohem Licht- und Wärmebedarf, reichen die eigenen Kraftwerke für die Bedarfsdeckung der TIWAG-KundInnen jedoch nicht aus, insbesondere da zu dieser Jahreszeit in den Speicherseen der TIWAG (vor allem Speicher Finstertal und Längental, Speicher Gepatsch und Achensee) zu wenig Energie zur Verfügung steht. TIWAG muss daher Strom am europäischen Großhandelsmarkt („Strombörsen“) und über Direktgeschäfte bei anderen Energieunternehmen zukaufen.
Hinsichtlich der Gas-Versorgung durch TIGAS-Erdgas Tirol GmbH (TIGAS) muss die gesamte Gasmenge am europäischen Großhandelsmarkt (Gasbörsen) und bei anderen Energieunternehmen zugekauft werden.
Bei diesen Lieferungen von Strom und Gas vom europäischen Großhandelsmarkt handelt es sich zwar grundsätzlich um vertraglich gesicherte Lieferungen. Ein großer Ausfall von Kraftwerkserzeugung oder gar die Einstellung der Lieferungen durch einen Vorlieferanten (z.B. im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg Russlands oder ähnliche Ereignisse) bergen jedoch Unsicherheiten. Auch wenn solche Ausfälle von Lieferungen über Zukäufe am Spotmarkt physisch kompensiert werden können, sind die finanziellen Auswirkungen mitunter erheblich.
Um aus eigener Kraft und mit eigenen Anlagen die Versorgung mit Strom in Tirol sicher durchführen zu können, müssten die TIWAG-Speicherkapazitäten rund zwei- bis dreimal so hoch sein wie derzeit. Mit der geplanten Inbetriebnahme des derzeit im Bau befindlichen Erweiterungsprojekts Kühtai im Jahr 2026 und der Realisierung des Ausbauprojektes Kaunertal werden TIWAG grundsätzlich bis zu rund 50 % mehr Speicherkapazität zur Verfügung stehen.
Strom muss aber nicht nur erzeugt, sondern natürlich auch an die EndkundInnen und Wirtschaftsbetriebe geliefert werden. Die TINETZ-Tiroler Netze GmbH (TINETZ) als größter, aber nicht einziger Verteilernetzbetreiber in Tirol verfügt über ein über 12.000 km langes Stromnetz mit Anbindungen an das österreichische und europäische Übertragungsnetz, eine Vielzahl an Umspannwerken bis hin zu über 4.000 Trafostationen und einem Niederspannungsnetz zu den über 240.000 Anschlusspunkten. Dieses Netz wird laufend ausgebaut und modernisiert und verbindet die Haushalte, Unternehmen und Kraftwerke in Tirol sowohl miteinander als auch mit dem österreichischen und europäischen Stromnetz. Das Stromnetz steht dabei seit der Strommarktliberalisierung vor über 20 Jahren allen Marktteilnehmern (KundInnen, Händler, Erzeuger) zur Verfügung.
3.) Wie funktioniert unsere tägliche Stromversorgung und wie wird sie aufrechterhalten?
Die wichtigste Prämisse einer sicheren und stabilen Stromversorgung ist die Balance zwischen Verbrauch und Erzeugung, die zu jedem Zeitpunkt aufrechterhalten werden muss. Hier kommen mit der Grundlast und der Spitzenlast zwei Begriffe ins Spiel, die sich – vereinfacht dargestellt – so beschreiben lassen: Unter Grundlast versteht man jenen Anteil der elektrischen Last (Leistung), die in einem Versorgungsgebiet andauernd benötigt wird. Sie wird von grundlastfähigen Kraftwerken produziert; das sind all jene Kraftwerkstypen, die kontinuierlich und ohne häufige bzw. lange Unterbrechungen Strom liefern können – beispielsweise Laufwasserkraftwerke, Kern- oder Kohlekraftwerke.
Der Grundlast gegenüber steht die sogenannte Spitzenlast, also eine kurzzeitig auftretend hohe bzw. höchste Leistungsnachfrage, etwa durch ungeplante Schwankungen von Stromverbrauch und Erzeugung. Zur Abdeckung der Spitzenlast wird die schnelle und flexible Bereitstellung von Ausgleichs-bzw. Regelenergie benötigt, die durch entsprechende Spitzenlastkraftwerke erzeugt wird – beispielsweise (Pump-)Speicherkraftwerke oder Gasturbinenkraftwerke. Diese Regelenergie wird wiederum in Momentanreserve, Primär-, Sekundär- und Tertiärregelenergie unterteilt, womit in erster Linie die Zeiträume definiert werden, in denen die jeweilige Regelenergie zur Verfügung stehen muss (siehe auch Punkt 7).
Die Stromversorgung funktioniert darüber hinaus nicht im Rahmen autarker, voneinander unabhängiger Strominseln, sondern im Rahmen eines zusammenhängenden europäischen Systems, das durch das Zusammenschalten der einzelnen Netze viel robuster ist und stabiler arbeitet.
Die Voraussetzung der Versorgungssicherheit und des Normalbetriebes der Netze ist daher die jederzeitige regionale (Tirol), überregionale bzw. nationale (Österreich) und internationale (Europa) Systemstabilität. Diese wird ermöglicht durch eine grenzüberschreitende Vernetzung auf Basis von Kuppelleitungen auf Höchstspannungsebene, ausreichend verfügbare Kraftwerks- und Speicherkapazitäten, gegenseitige Störaushilfe, international abgestimmte Strategien zur Frequenz- und Spannungshaltung sowie für den Netzwiederaufbau im Falle eines Blackouts.
Für die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit ist nach den Bestimmungen im Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) in Österreich der jeweilige Regelzonenführer verantwortlich. In Tirol war TINETZ-Tiroler Netze GmbH als Regelzonenführer benannt, bis durch die Zusammenfassung von Regelzonen in Form eines gemeinsamen Betriebs diese Verantwortung an den Regelzonenführer Austrian Power Grid AG (APG) übertragen wurde. Damit ist APG grundsätzlich auch für Tirol für die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit zuständig und verantwortlich.
Die europäischen Stromnetze werden permanent überwacht und Erzeugung und Verbrauch in stetiger Balance gehalten. Vor diesem Hintergrund wird Strom nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten (Angebot und Nachfrage) bilateral zwischen Handelspartnern und an europäischen Strombörsen durch die einzelnen Anbieter gehandelt, um den jeweiligen Bedarf dort zu decken, wo er gerade besteht und die Energie zu dem Zeitpunkt zu nutzen, zu dem sie bei Wind- und Photovoltaik-Kraftwerken wetterbedingt anfällt. Gleichzeitig – durch den An- und Verkauf von Ausgleichs- bzw. Regelenergie durch die verantwortlichen Regelzonenführer – wird das Stromnetz als solches stabil gehalten.
Auch die TIWAG-Tiroler Wasserkraft AG ist im europäischen Stromhandel bzw. an den Strombörsen aktiv, um den in Tirol notwendigen Bedarf an Grundlaststrom zu decken. Der Strom für die EndkundInnen der TIWAG ist zertifiziert mit 100 Prozent aus erneuerbaren Energieträgern, wie unter anderem dem TÜV-Zertifikat und der aktuellen Stromkennzeichnung zu entnehmen ist.
Ebenso erzeugt und vermarktet TIWAG mit ihrem flexiblen Kraftwerkspark, insbesondere den (Pump-)Speicherkraftwerken, jene wertvolle Ausgleichs- und Regelenergie, die zur Frequenzstabilisierung und damit für den sicheren Betrieb des österreichischen wie europäischen Stromnetzes dringend notwendig ist. Stromerzeugung aus Wasserkraft ist demnach die wichtigste Technologie zur emissionsfreien Bereitstellung von Flexibilität zur Sicherung des Gesamtsystems.
4.) Was sind die derzeit größten Herausforderungen in der Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit?
Abgesehen von nicht vorhersehbaren Störfällen im europäischen Stromnetz (verursacht beispielsweise durch Naturkatastrophen, Unfälle mit Schäden an Leitungen oder Umspannwerken, etc.) besteht die derzeit größte Herausforderung für Energieversorgungsunternehmen und Netzbetreiber in der Klimakrise und damit zusammenhängend der „Energiewende“: Im Einklang mit nationalen wie europäischen Nachhaltigkeits- und Klimastrategien soll die Stromversorgung in den kommenden Jahren zur Gänze aus erneuerbaren Energieformen wie Wind, Photovoltaik (PV), Biomasse oder eben Wasserkraft sichergestellt werden. Damit soll auch eine weitgehende Unabhängigkeit von Energieimporten erreicht werden.
Im internationalen Stromsystem werden aus diesem Grund sukzessive thermische Kraftwerke (Kern-, Gas- oder Kohlekraftwerke) abgeschaltet und vom Netz genommen. Gleichzeitig steigt europaweit der Erzeugungsanteil der sogenannten volatilen „Erneuerbaren“, vor allem Windkraft und Photovoltaik, rapide an. Deren Erzeugungsanteile sind aber naturgemäß stark wetterabhängig und daher schwer kalkulierbar. In jedem Fall ist aber der Verbrauch zu decken, um das System im Gleichgewicht zu halten. Kraftwerke mit entsprechend flexibel steuerbarer Erzeugung sind daher dringend erforderlich, um einerseits Strom zu Zeiten mit geringer Erzeugung aus Wind und PV bereitstellen zu können und andererseits Überschüsse aus der überproportionalen PV-Erzeugung (z.B. an schönen Sommertagen) im System aufnehmen zu können und diese Erzeugung nicht „abregeln“ zu müssen.
Eine ganz aktuelle große Herausforderung für die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit besteht aber natürlich auch durch die sogenannte „Gaskrise“, die mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine in Zusammenhang steht.
Sowohl in Österreich als auch in Deutschland müssen insbesondere während der Winterperiode große Strommengen in Gaskraftwerken erzeugt werden. Das in Österreich im Jahr 2020 verwendet Erdgas kam beispielsweise zu rund 80 % aus Russland, in Deutschland waren es rund 50 %.
Österreich hat im Vergleich zum jährlichen Gasverbrauch große Gasspeichermöglichkeiten. Derzeit wird in Österreich wie auch in allen anderen Ländern Europas massiv Gas gespeichert, um die Versorgungssicherheit mit Gas und in weiterer Folge mit Strom auch im heurigen Winter und bei einem allfälligen Lieferstopp von russischem Gas aufrecht erhalten zu können.
5.) Was sind die physikalisch-technischen Voraussetzungen des Stromnetzes ? Und was passiert im Störungsfall?
Die Ausdehnung des europäischen Stromnetzes (bezeichnet als „Continental Europe“) reicht über den gesamten Kontinent – von Portugal bis nach Rumänien und von Dänemark bis einschließlich in die Türkei. Dieses europäische Stromnetz wird mit einer konstanten Netzfrequenz von 50 Hertz (Hz) betrieben, die im Normalbereich nur geringfügig abweichen darf – ganz genau zwischen 49,8 und 50,2 Hz.
Dazu muss zu jeder Millisekunde genau so viel Strom erzeugt werden wie zu diesem Zeitpunkt nachgefragt wird. Wegen der zunehmenden fluktuierenden und nicht regelbaren Erzeugung in Windkraftwerken und PV-Anlagen muss dies aber zunehmend auch anders formuliert werden: Es muss zu jeder Millisekunde genau so viel Strom verbraucht werden wie im Zusammenhang mit der nicht regelbaren Erzeugung in Windkraftwerken und Photovoltaik (PV) gerade erzeugt wird, um die Frequenz im Normalbereich zu halten und einen Netzzusammenbruch zu vermeiden. Die Erzeugung aus Wind- und PV-Anlagen hat nämlich hinsichtlich der Einspeisung ihres Stroms ins Netz Vorrang gegenüber anderen Erzeugungsformen.
Wird dieser Normalbereich der Netzfrequenz deutlich über- oder unterschritten, kann es zu massiven Störungen im Stromnetz und im schlimmsten Fall zum Blackout kommen. Das kann zum einen am Ausfall von Kraftwerken oder von Stromleitungen aufgrund von Störungen liegen, zum anderen aber eben auch daran, dass aufgrund von Überproduktion in nicht (oder nur bedingt) regelbaren Erzeugungsanlagen wie Wind und PV zu viel Strom im Netz ist.
Lässt sich das Gleichgewicht nicht wieder herstellen oder kommt es zu starken Abweichungen von der Normalfrequenz von 50 Hz, so greifen automatische Schutzmechanismen zur Systemstabilisierung: Diese bewirken dann je nach Situation ein An- oder Abschalten von Kraftwerken, ein Abregeln der Erzeugung in Windkraftwerken und PV oder – als letzter Stabilisierungsversuch – von Verbrauchern, also ein sogenannter Lastabwurf, der gestaffelt in mehreren Stufen durchgeführt wird.
Wenn dies im schlimmsten Fall auch nicht ausreicht, so kippt die eingangs erwähnte Waage und das Netz bricht zusammen. Beachtenswert ist, dass im Krisenfall die zur Stabilisierung der Netzfrequenz zur Verfügung stehenden Zeiträume sehr kurz sind – in der Regel nur wenige Sekunden.
6.) Ist jeder Stromausfall gleich ein Blackout?
Nein! Umgangssprachlich wird häufig und fälschlicherweise bereits ein Stromausfall, der mehrere KundInnen, eine Gemeinde oder eine Stadt etc. betrifft, als Blackout bezeichnet. Versorgungsunterbrechungen einzelner Gebiete Tirols oder Regionen können zwar durchaus – je nach Störungsursache – mehrere Stunden andauern, betreffen aber nicht das gesamte Versorgungsgebiet und/oder beispielsweise nur KundInnen einzelner Versorgungsunternehmen.
In der Fachwelt spricht man von einem Blackout bei einem plötzlichen, überregionalen und länger andauernden Stromausfall, wenn zum Beispiel in mindestens 50 % von Österreich keine Stromversorgung zur Verfügung steht. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch sehr hoch, dass ein Blackout dann vorliegt, wenn auch weitere Teile Europas betroffen sind.
Bisher hat es noch keinen großflächigen Blackout in Europa gegeben, wenngleich schon mehrfach Situationen eingetreten sind, in denen ein derartiger Großstörungsfall nur knapp verhindert werden konnte – unter anderem auch durch plangemäßes Mitwirken der Kraftwerksanlagen der TIWAG-Tiroler Wasserkraft AG.
7.) Wie wirkt man Stromausfällen in der Regel entgegen?
Wie schon in Punkt 3 dargestellt, muss das Gleichgewicht von Verbrauch und Erzeugung im Netz zu jedem Augenblick sichergestellt sein. Kommt es zu einer Abweichung vom geplanten Verbrauch bzw. von der geplanten Einspeisung ins Netz, so muss diese Differenz durch bereitgehaltene Kraftwerke ausgeglichen werden. Hier ist mittel- und langfristig jede Art von planmäßig einsetzbaren Kraftwerken notwendig, um etwa auch im Winter bei hoher Nachfrage, wenig Sonne und wenig Wind ausreichend Strom zur Verfügung zu haben.
Im kurz- und mittelfristigen Zeithorizont spielen (Pump-)Speicherkraftwerke eine wichtige Rolle: Unter anderem können mit diesen Anlagen Stromüberschüsse dazu verwendet werden, Wasser von einem Speicher in einen höher gelegenen zu transferieren, wo dieses Wasser für einen späteren Turbinenbetrieb – wenn also wieder ein höherer Strombedarf besteht – gespeichert werden kann.
Diese Kraftwerkstypen bieten aber noch zwei weitere besondere Vorteile, nämlich die schnelle und flexible Bereitstellung der sogenannten Momentanreserve und der Regelleistung.
Da Strom im Netz (!) nicht gespeichert werden kann, müssen Ungleichgewichte der Leistung, also Erzeugungs- oder Lastüberschüsse, anderweitig ausgeglichen werden. Das geschieht im Millisekundenbereich automatisch, wenn Rotationsenergie der sogenannten „rotierenden Massen“ zur Verfügung steht. Diese besteht in konventionellen thermischen, aber auch in Wasserkraftwerken in den stromproduzierenden Generatoren, die mit dem Netz verbunden sind. Bei einem Erzeugungsüberschuss im Stromnetz nehmen die Generatoren die überschüssige Energie auf und werden beschleunigt, rotieren also stärker. Bei einem Lastüberschuss werden sie abgebremst.
Diese Momentanreserve ist ein essentieller Bestandteil der Systemstabilität: Die Änderung der Frequenz im Netz wird durch die Trägheitsmomente der rotierenden Massen gedämpft. Je höher also die Trägheit der rotierenden Massen, desto größer ist die Momentanreserve, desto geringer sind die Frequenzänderungen und desto geringer sind die Risiken für die Systemsicherheit.
Wenn die resultierenden Frequenzabweichungen 20 mHz überschreiten, müssen gezielt Maßnahmen eingeleitet werden, um die Frequenz auf den Sollwert zurückzuführen. Hier kommt die Regelleistung ins Spiel, wobei die schnellste Regelleistungsqualität die Primärregelleistung ist. Ihre Aktivierungszeit beträgt etwa 30 Sekunden. Bis dahin müssen Frequenzänderungen hauptsächlich über die Momentanreserve aufgefangen werden.
In weiterer Folge gibt es noch die nachgereihten Sekundär- und Tertiärregelungen, deren Aufgabe es ist, die Netzfrequenz nach aufgetretenen Abweichungen wieder auf den Sollwert zurückzuführen. Die Aktivierungszeit der Tertiärreserve beträgt etwa bereits eine Viertelstunde und soll wiederum die Sekundärreserve ablösen, wenn die Ungleichgewichte im Netz über einen längeren Zeitraum bestehen. Ein erheblicher Teil der bereitgestellten Regelreserven wird speziell in Österreich und Deutschland von den hochflexiblen Wasserkraftwerken erbracht.
Da derzeit in ganz Europa konventionelle Kraftwerke aus Festlegungen zum Klimaschutz zunehmend abgeschaltet werden, entfallen immer mehr rotierende Massen, was eine weitere Herausforderung für die Frequenzhaltung und damit die Systemstabilität und die Versorgungssicherheit mit sich bringt. Über Umrichter angebundene Stromerzeugungsanlagen, also vor allem Photovoltaik- und viele Windanlagen, tragen nicht automatisch zur Momentanreserve bei.
Österreich ist hier mit seinem hohen Anteil an Wasserkraftwerken zwar verhältnismäßig gut vorbereitet. Doch im übergeordneten europäischen Kontext bedeutet dies, dass durch den Ersatz konventioneller Kraftwerke durch erneuerbare Energieerzeugung die Momentanreserve zurückgehen, die Frequenz stärker schwanken und die Beherrschbarkeit von großen Störereignissen ohne automatische Lastabwürfe abnehmen wird, wenn nicht rechtzeitig alternative Maßnahmen zur Erhaltung der Momentanreserve getroffen werden.
Auch vor diesem Hintergrund ist der Ausbau speicherfähiger Großwasserkraft ein substanzieller Beitrag zur zukünftigen Sicherstellung der Systemstabilität. Die TIWAG-Tiroler Wasserkraft AG plant bzw. realisiert in diesem Zusammenhang verschiedene Projekte wie die Erweiterung der Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz, die aktuell bereits gebaut wird, oder des Kraftwerks Kaunertal. Auch wird die Netzinfrastruktur durch TINETZ-Tiroler Netze GmbH laufend erweitert und modernisiert, um den zukünftigen Erfordernissen gerecht zu werden und werden unterschiedlichste Störfälle in Übungen trainiert.
8.) Wie kann im Falle eines tatsächlichen Blackouts die Stromversorgung wiederhergestellt werden?
Grundlegend geschieht der Netzwiederaufbau auf verschiedenen Ebenen, also auf regionaler Ebene (Tirol), nationaler Ebene (Österreich) bis hin zum internationalen, europäischen Netzwiederaufbau. In Österreich gibt es vom Übertragungsnetzbetreiber Austrian Power Grid (APG) ein mit allen großen Verteilnetzbetreibern abgestimmtes Netzwiederaufbaukonzept. Dieses sieht einen Aufbau des österreichischen Netzes mit den Kraftwerksgruppen Kaprun (Salzburg) und Malta (Kärnten) vor, der vertraglich gesichert ist.
Die TIWAG-Tiroler Wasserkraft AG und TINETZ-Tiroler Netze GmbH haben zudem gemeinsam mit dem Übertragungsnetzbetreiber APG und benachbarten Netzbetreibern im Ausland einen Notfallplan ausgearbeitet, das sogenannte Netzwiederaufbaukonzept Tirol. Derartige regionale Netzwiederaufbaukonzepte sind in das österreichische Netzwiederaufbaukonzept integriert und ermöglichen auf freiwilliger Basis – nach "Können und Vermögen", also da wo möglich – einen rascheren regionalen Netzwiederaufbau in Abstimmung mit APG, wodurch auch ein rascherer österreichischer Netzwiederaufbau ermöglicht wird. So kann bereits auf der regionalen Ebene Tirols auf ein Blackout-Szenario reagiert und das Inntal im Idealfall innerhalb von Stunden autark im Inselbetrieb weitgehend wieder mit Strom versorgt werden. Tirol hat hier aufgrund seiner Topographie und damit zusammenhängend seiner großen Speicherkraftwerke eine im europäischen und nationalen Vergleich verhältnismäßig gute Ausgangslage.
Das Tiroler Netzwiederaufbaukonzept sieht vor, ab dem Zeitpunkt des (europäischen) Blackouts nach ca. 60 Minuten mit dem Spannungshochfahren des Grundnetzes zu beginnen, innerhalb von 75 Minuten erste Lastzuschaltungen zu ermöglichen, innerhalb von 180 Minuten das Inntal weitgehend wieder mit Strom zu versorgen und in einem Zeitraum von ca. 5 Stunden+ eine Grundversorgung oder maximal mögliche Stromversorgung Tirols sicherzustellen. Diese kann in Abhängigkeit der Jahreszeit und der Speicherbefüllung für eine gewisse Zeit auch im Inselbetrieb – also losgelöst aus dem europäischen Netz – gewährleistet werden, sofern eine Bewirtschaftung mit Einschränkungen durchgeführt wird. In weiterer Folge werden dann die so aufgebauten Netze österreichweit wieder zusammengeschaltet.
Zu beachten ist jedenfalls auch, dass es sich beim „Wiederhochfahren“ um einen sehr komplexen Vorgang handelt, der nur Schritt für Schritt und unter stetem Gleichgewicht zwischen Verbrauch und Erzeugung durchführbar ist. Das bedeutet in Konsequenz, dass in dieser Situation VerbraucherInnen in der Versorgung eingeschränkt sind.
Auch ist an dieser Stelle der eigentliche Netzwiederaufbau von Maßnahmen zur Energielenkung klar zu unterscheiden: Im Österreichischen Systemschutzplan ist vorgesehen, dass im Fall einer Energiemangellage und Energielenkung auf Basis einer gesetzlichen Vorgabe direkt in den Umspannwerken eingegriffen werden kann, um entsprechende Energielenkungsmaßnahmen durch die Behörden vorzunehmen. Das hat mit dem Netzwiederaufbau selbst aber nichts zu tun.
Der TIWAG-Kraftwerkspark wurde jedenfalls für eine Verwendung zum Netzwiederaufbau entsprechend technisch ausgerüstet und getestet. Für einen Netzwiederaufbau „von Null“ sind schwarzstartfähige Kraftwerke notwendig. Diese Anlagen dürfen also ihren Strom-Eigenbedarf nicht aus dem öffentlichen Netz beziehen. Zudem müssen sie inselbetriebsfähig sein, also die Netzfrequenz bei 50 Hertz einregeln können, sowie Lastschwankungen (vor allem Lastzuschaltungen) „aushalten". TIWAG verfügt über fünf schwarzstart- und inselbetriebsfähige Kraftwerksanlagen: die Kraftwerke in Prutz, Silz, Jenbach, Kalserbach und Amlach. In allen beschriebenen Fällen, also Störungsmanagement, Energielenkung und Netzwiederaufbau nach einem Blackout, sind sie die Basis für eine verlässliche Wiederversorgung in Tirol.
Von besonderer Bedeutung ist ein enges Zusammenspiel zwischen Kraftwerks- und Netzbetreiber, um einen stabilen Netzbetrieb gewährleisten zu können. In diesem Sinne finden in TIWAG und TINETZ auch regelmäßig Schulungs- und Trainings für eine erfolgreiche Umsetzung des Netzwiederaufbaus in Tirol statt. Auch gibt es regelmäßige Übungen insbesondere mit dem Land Tirol als auch Systempartnern und Weiterverteilern wie der Innsbrucker Kommunalbetriebe AG (IKB) oder Verteilnetzbetreibern.
Nicht zuletzt sind für einen erfolgreichen Wiederaufbau und eine länger andauernde Versorgung hinreichende Energiereserven, etwa durch entsprechend gefüllte Speicherseen, notwendig, wenn davon ausgegangen werden müsste, dass auch über einen längeren Zeitraum kein Strom von außerhalb Tirols importiert werden könnte und Tirol auf sich alleine gestellt wäre. Der Wasserinhalt in unseren Speichern ist allerdings insbesondere ab Mitte des Winters sehr begrenzt und damit eine volle Versorgung Tirols nur wenige Tage oder Wochen ohne Unterstützung über Importe möglich. Für eine vollständige, autarke Versorgung Tirols über einen längeren Zeitraum müssten ca. zwei bis drei Mal mehr Wasserspeicherkapazitäten und Speicherkraftwerke als derzeit vorhanden realisiert werden.
Abschließend ist festzuhalten, dass im Falle einer derartigen europäischen Großstörung natürlich auch viele Faktoren einwirken, die nicht im Bereich der TIWAG-Gruppe liegen. Ebenso ergeben sich im Jahresverlauf Unterschiede und Abweichungen im Ablauf der Wiederherstellung und der Dauer einer möglichen autarken Versorgung Tirols, gerade durch die jeweiligen Füllstände der Speicher. Europaweit kann die Wiederherstellung und die Rückkehr zum Normalbetrieb erheblich länger dauern.
Am 08. Jänner 2021 kam es zu einer Frequenzstörung im europäischen Stromnetz. Das folgende Video der Austrian Power Grid (APG) erklärt exemplarisch anhand dieses Vorfalls die Gegenmaßnahmen, die in Folge gesetzt wurden.
Auch der Gemeindeverband GEMNOVA hat sich in einem Film mit dem Thema Blackout befasst und wichtige Fragen und Inhalte aufbereitet.